12.04.2021 zurück aus der Klinik... ...LWFLD - Bleeding (Official Music Video)


"Das Gegenteil von Angst
ist ein gutes Leben"

(Nicholas Müller, Sänger der Band Jupiter Jones')


SEIT Montag Mittag bin ich aus der Klinik zurück. 

Ich wurde am Freitag das zweite Mal an der Brust operiert. Die Brust war noch nicht tumorfrei, was daran liegt, daß es bei der OP stark blutet und die Operateurin bzw das OP-Team nicht genau sieht, wo die Ränder sind. Daher muss eigentlich meistens nachreserziert werden. Es war noch sehr viel Gewebe, was sie herausnehmen mussten, wobei noch immer nicht klar ist, ob jetzt wirklich alles raus ist, das erfahre ich am Freitag, wenn der Befund vom Pathologe kommt. Sollte es an einem Rand noch mal nachoperiert werden müssen, kann man das auch ein drittes Mal. Wenn an jedem Rand des Tumors noch Reste sind, weiß man nicht, wie groß die sind, und dann wäre es besser, die Brust ganz zu entnehmen und mit einem Implantat aufzubauen. Sollte das der Fall sein, werde ich einige Wochen damit warten, ich bin fertig mit den Nerven, und die Zeit will mir das Operationsteam auch geben. 

Bereits beim ersten Mal hatte ich arge Probleme mit der Vollnarkose. Ich hatte Atemnot und sehr hohen Blutdruck für längere Zeit. Diesmal war es anders, aber noch schlimmer. Ich hatte keine Atemnot, aber Angstzustände mit Todesangst-Attacken, Schüttelfrost und mir war kalt, ich hatte überall entsetzliche Schmerzen. Und hätte heulen können. Ich bin nicht wehleidig, aber woran es liegt, daß ich jedes Mal diese Probleme habe, wüsste ich gern, denn unabhängig von meinem Mamma-Karzinom habe ich noch andere Baustellen, in naher Zukunft soll ich am Bein operiert werden, da sich dort Geröllzysten gebildet haben und auf Dauer ist das kein Zustand, weil ich nur humpele und an einen gescheiten Sport ist gar nicht zu denken. Und der wäre für meine Knochen sehr wichtig und auch für den Allgemeinzustand und meinen Wunsch, Gewicht abzubauen.

Als ich im Aufwachraum lag, kam einer der Ärzte zu mir und sagte mir, daß ich während der OP aufgewacht sei, habe den Kopf gehoben und wollte mit ihm reden. Er hat sofort noch  Narkosemittel nachgegeben und somit war es kein Problem. Er fragte mich, ob ich mich daran erinnern könne, aber ich weiß nichts davon. Seltsam...

Als ich wieder auf dem Zimmer war, habe ich nach weiteren Schmerzmitteln verlangt und später, als es mir besser geht, auf Insta meine Musiker supportet. Das hat mir gut getan. 

Das Thema Angst war auch hier wieder präsent. Trotzdem ich als Therapeutin sehr genau weiß, woran es liegt und was zu tun wäre, bin ich, mal abgesehen von der Musik, für mich selbst ein schlechter Therapeut. Und da ist auch noch das Thema Wut. Seitdem ich nach der OP zuhause bin, habe ich Wutausbrüche, und versuche, diese nur auszuleben, wenn ich allein bin, denn ist ist peinlich, wenn man schimpft oder die Nerven verliert. Aber es ist eine Entlastung, eine Art Blitzableiter, wenn mir etwas aus der Hand fällt und ich fluche, mich nicht beherrschen kann, obwohl das wohl "normal" ist bei dem Stress in all den letzten -Wochen, -Aber da bin ich wohl ziemlich selbstkritisch.

Musik ist für mich das beste Beruhigungmittel und wirkt wie Cannabis mit Lavendel.

Konzerte helfen immer, aber momentan sind ja keine möglich, das erhöht meine Reizbarkeit noch mehr. Und es ist kein Ende in Sicht. Biffy  Clyros  Konzert im September wurde zum zweiten  Mal abgesagt. Und so vieles anderes. Meine Kasseler Künstler sind grösstenteils am Rande der Verzweiflung und gefrustet. Und mir macht es einfach Entzugserscheinungen.

 



Wie sehr das Thema "Todesangst" an mir nagt, kam mehr oder weniger durch -Zufall zum Vorschein. Auch durch einen meiner Lieblingssongs. 

Die Band LWFLD /Lowfield hat wieder einmal einen tollen Popsong herausgebracht, "Bleeding".  

    Der song ist der Hammer, er geht ins Ohr, gleichzeitig ist der Text anspruchsvoll und bringt bei mir die Erinnerung zurück an Dinge, die ich in langen Jahren durch viel Therapie zu bewältigen geglaubt hatte, nun sind diese Belastungen wieder aus der Versenkung, seit Beginn der Pandemie, und mit diesem song ist mir klar geworden, daß Therapie zwar hilfreich ist, aber die Spuren der Gewalt und die Narben bleiben. Und das ist schmerzlich. Und... es gibt keine Zufälle. Das sagte mir einmal mein Mentor und Psychotherapeut Dr. D. F. Schmidt, Psychiater. Er ist der beste in Kassel und nach meiner Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie und Psychologischen Assistenz durfte ich in seiner Praxis ein halbes Jahr hospitieren.



In dem song Bleeding geht es um häusliche Gewalt. Diese bin ich, seit ich denken kann, gewohnt. Denn in unserer Familie war jede Form von Gewalt das tägliche Brot

Häusliche Gewalt ist vielfältig. Es ist nicht nur der klassische Fall, daß der Ehemann seine Frau schlägt oder tritt. In den meisten Fällen ist es psychische Gewalt. -Ich behaupte Mal, dass das noch schlimmer ist, vor allem, weil man die Verletzungen nicht sieht. Und die Opfer dann noch mehr schweigen. Weil ihnen keiner glaubt. 

Wo fängt häusliche Gewalt an? Was genau ist psychische häusliche Gewalt? Darüber könnte ich ein Buch schreiben, weil ich durch die vielen Klienten, die ich im Laufe der Zeit kennen lernen durfte, erfahren habe, daß es Fälle gibt, bei denen es viel schlimmer ist als bei mir. Zumindest empfinde ich es so. Aber das beruhigt mich nicht. -Im Gegenteil...

Mein Vater war der Inbegriff des Psychopathen. Seine Gewalt begann schon damit, daß man nie wußte, woran man ist.  Er war im höchsten Grade unberechenbar. Und genau das machte ihn als Menschen so gefährlich.

Wie oft dachte ich als Kind, er habe sich geändert, wenn er längere Zeit keine Wutausbrüche hatte und einfach nur nett war, und als es von jetzt auf gleich, machmal völlig grundlos wieder passierte, daß er ausrastete, hatte ich nicht nur Angst, sondern war über ihn enttäuscht, weil es wieder anfing, über mich enttäuscht, daß ich mich geirrt hatte, über die anderen, die zusahen, und sich ihm hilflos auslieferten, enttäuscht über meine Mutter, weil sie als Mutter zuließ, daß er sie so behandelt. Daß wir Angst haben mussten, daß er sie irgendwann umbringt. Und die Angst um uns selbst. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr und nur noch -Angst um mich selbst und meine kleinere Schwester. Als sie wieder einmal nachts so stritten, daß ich dachte, er bringt sie um, zog ich nur die Decke über den Kopf. Frei nach dem  Motto, dass es nicht wahr ist, wenn ich es nicht höre. Meine Schwester, die sechs Jahre jünger ist, kroch zu unserer Oma. Aber auch von ihr kam keine Hilfe, Sie war nicht in der Lage, sich zwischen die Tochter und den Schwiegersohn zu stellen. Einmal, als ich noch sehr klein war, hat sie  versucht dazwischen zu gehen und mein Vater hat sie beinahe mit der Ladenkasse erschlagen.

Schläge bekam ich von meinem Vater relativ wenig, ich lernte schnell, mich so zu verhalten, daß keine Schläge nötig war, obwohl ich vieles tat, was ich sonst nicht getan hätte,  nur um mein Leben zu retten. Wäre ich "echt" gewesen, hätte dieser Mensch mich sicher erschlagen, wenn auch nur aus Versehen in seiner Wut. Ich wurde kreativ.

Oftmals überlegte ich, woher kommt diese Wut bei ihm? Als ich 16 Jahre alt war und der Wunsch, Psychologie zu studieren, in mir reifte (meine Mutter hat es  aber leider verhindert) fand ich heraus, daß es wohl bei meinem Vater eine Art Schizophrenie mit Manie-Anteilen ist, also eine sogenannte Mischpsychose. Und mein Verdacht erhärtete sich, als ich Ende Dreißig meinen Beruf aufgab und Heilpraktikerin für Psychotherapie wurde. Die 16-jährige Birgit schlug der Mutter vor, dem Vater eine Einweisung in eine Klinik vorzuschlagen, was aber zum Scheitern verurteilt war, weil meine Mutter viel  zu viel Angst hatte und damit überfordert. Sie war der -Ansicht, er ließe sich nicht darauf ein, weil er auch immer wieder damit angab, wie erfolgreich er mit seiner Firma sei. Völlig realitätsfremd, wie sich später wieder herausstellte, nämlich dann, als die Firma mit 80 Millionen D-Mark Schulden in die Pleite ging, und diese Insolvenz hat uns alle mitgerissen. Unser Vater hat uns ohne unser Wissen hinter unserem Rücken mit ins Boot genommen, allein das war ein Albraum, und für ihn war immer klar, daß wir an allem Schuld sind, Mein Bruder am Scheitern der Firma, meine Schwester und mich hat er ständig mit seiner frauenfeindlichen Art beschimpft und zu den seelischen Schmerzen haben meine Geschwister und ich noch viele Federn lassen müssen. Mein Bruder mit der Hälfte der Firma und der Insolvenz, meine Schwester mit 50.000 Euro, was sie beinahe ihre Ehe gekostet hätte und mich mit 10.000 Euro. 

Die überhebliche Art dieses Menschen erinnert an Trump. Mein Vater fühlte sich immer wie ein Präsident. Völlig weltfremd. Noch dazu war er nicht diskussionsfähig. Und hatte die Gabe, sich immer Angestellte zu suchen, die "das mit sich machen ließen".  Eins von tausenden Beispielen spricht Bände für diesen "Typ Menschen". Bei einer Tagung bestellte er zwei Flaschen Wein für 500 Mark, obwohl weder dafür Geld zur Verfügung war noch für andere Dinge des täglichen Lebens. Meine Mutter wollte ihn davon abhalten, was sie, weil sie ihn vor den Leuten vorführte, wieder zu Hause zu spüren bekam.

 Der "Fall der Firma" war längst nicht mehr zu verhindern, und er realisierte es nicht. War noch immer der Meinung daß der Erfolg ihm Recht gibt.

Wie kommt es, daß solche Menschen immer wieder "mit einem derartigen Verhalten" durchkommen? Ich denke es ist die Angst derjenigen, die dieser Aggressor in der Gewalt hat, und nicht nur das macht ihn so gefährlich.

Durch meine Krankheit bedingt habe ich öfter Wutausbrüche, obwohl ich eher so bin wie meine Mutter, die zwar auch streng war, aber liebevoll zu uns trotz der Misere, wenngleich ich doch enttäuscht bin, daß sie uns so oft im Stich gelassen hat, aus Hilflosigkeit.

Ich wünsche mir, daß ich nicht so werde wie mein Vater, obwohl mir einmal ein Therapeut vor längerem sagte daß ich "ein Stück weit" wie mein Vater sei.

Das Thema Psychische Gewalt verfolgt mich mein ganzes Leben. Bei meinen Beziehungen. Bei Arbeitsplätzen. Mittlerweile setze ich mich zur Wehr, z.B. gegen meinen Schwiegervater, der Vorurteile gegenüber Homosexuellen und Ausländern hat. Und der seinen Sohn, meinen Mann als Kind immer auf der Treppe verprügelte, wenn dieser nicht essen wollte, oder es auch richtig fand, wenn Dirks  Lehrer ihn auf der strengen  Jungenschule mit Gegenständen bewarfen oder mit Lineal schlugen. 

Die Wutausbrüche  meines Schwiegervaters werden von mir sofort im Keim erstickt. Es hat lange gedauert. Und das ist ein Erfolg.  Ich lasse mir nichts mehr gefallen. Mein Blutdruck steigt jedes Mal, aber das ist es mir Wert. Und ich setze mich genauso für andere ein.













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