schau Dich nur um... MAX PROSA

...  schau Dich nur um, sagst Du
     alle um uns rum, sind am kämpfen
     nur kämpfen sie stumm
     gegen die Angst
     und man besiegt sie niemals ganz
     jeder fällt grad so gut wie er tanzt ...

                               MAX  PROSA



Max Prosa ist ein wunderbarer Liedermacher. Einer der besten. Leider habe ich ihn LIVE noch nicht erlebt. Seine Texte berühren mich sehr. Und natürlich seine Musik. Eine Bereicherung...

Angst. Was ist es genau?  Jeder benennt es anders. Das Gefühl.... Wovor genau haben wir Angst? Egal was wir benennen, letztendlich ist es doch die Angst vor dem Tod.

Es geschah, als ich Anfang 30 war und nach langer Arbeitslosigkeit und Weiterbildung bei einer großen Firma als Buchhalterin arbeitete. Nachdem ich ca. sechs Wochen dort beschäftigt war,  hatte ich an einem Morgen am Schreibtisch von jetzt auf gleich starke Sehstörungen, Panik und hohen Blutdruck. Es wurde immer schlimmer.  Die Anfälle häuften sich.  Unvorhergesehen, zu jeder Tageszeit, sporadisch, mal am Arbeitsplatz, mal in der Straßenbahn, oder auch in jeder Art geschlossenen Räumen. Ich wurde krank geschrieben. Erst dachte ich, es sei ein Hirntumor. Eine Röntgenaufnahme ergab, daß es Gott sei Dank kein Tumor ist.  Man fandkeine Ursache...

Ich konnte bald unsere Wohnung nicht mehr verlassen. Wenn ich im Lokal saß oder beim einkaufen war, mußte ich das Lokal oder das Geschäft oft panikartig verlassen, wenn mal wieder von jetzt auf gleich ein Anfall der Angst mich regelrecht überrollte. Ich dachte in dem Moment immer, ich würde sterben und das machte die Angst noch schlimmer, es folgte dann die Angst vor der Angst.

Irgendwann habe ich mich dieser Angst gestellt, und nach einem zehn-wöchigen Aufenthalt in einer Fachklinik für Psychotherapie mit darauf folgender ambulanter Gruppentherapie für zwei Jahre wurde es dann nach und nach besser. Die Angst lähmte mich so sehr, daß  ich nicht arbeitsfähig war und dadurch auch meinen Arbeitsplatz verlor.  Es blieb mir keine Wahl, als Hilfe in Anspruch zu nehmen. Genau das würde ich auch jedem in so einem Fall raten.

Nichts ist so schlimm, daß es nicht für etwas gut ist. Diese Angst hat mir gezeigt, daß mein Weg ein anderer sein soll  und ich mein Leben von Grund auf ändern muß. Auch u.a. den Beruf. Somit hatte es auch etwas positives.

Der Tanz des Lebens. Der Alltag. Die Beziehungen. Genau das  haben Mykket Morton in ihrem song "what if" schon sehr treffend beschrieben.

Bei mir war es ein "multifaktorielles Geschehen". Sehr viele Bedingungen haben zu diesem Angstsyndrom geführt. Die falschen Beziehungen im Leben. Die Angst vor dem Vater.  Es war überwiegend auch eine Real-Angst. Das machte es noch schlimmer. Sich nicht wehren zu können. Angst lähmt... Die Angst bzw der Respekt vor meiner Mutter. Davor, wieder zuzunehmen, und als mollige Person nicht "angenommen" , nicht mehr geliebt zu werden. Mein Exmann betrog mich mit schlanken Frauen. Nach fünf Jahren war es das aus dieser Ehe.

Als Frau nicht akzeptiert zu sein. " Du taube Nuss bekommst keine Kinder". Du bist schwach. Du bist nichts wert... Die Schikanen der Schwiegereltern  und die herablassende Art meiner Schwiegermutter hätten beinahe unsere Beziehung zerstört. Solche Sprüche "das Birgit kann mal" d.h. mich im kasseläner Platt herunterzuputzen...  Dirk und ich hätten gern Kinder bekommen. Die Kinderlosigkeit ist keineswegs freiwillig... !

Ähnlich war es bei meinen Arbeitsplätzen. Nach und nach bekam ich eine Haltung, die es auch fremden Menschen leicht machte, mich zu beschimpfen, zum beispiel im Geschäft, in der Straßenbahn oder am Arbeitsplatz. Frei nach dem Motto "mit der kann man es machen" Da mußte ich aufpassen, daß ich nicht eine Opferhaltung annehme oder eine Sozialphobie. Oder meine Selbstachtung verliere. Und die Würde...

Victor Frankl, ein vielgeschätzter Psychiater, der auch Bücher schreibt, würde sagen " ein Zehn-Euro-Schein ist immer zehn -Euro wert. Selbst wenn man auf ihm herumtrampelt, ihn zerknüllt. Wenn man ihn auseinander faltet, ist er nicht mehr glatt, aber er hat noch immer den selben Wert. Nämlich zehn Euro. ...

Noch heute sitze ich im Kino oder Kulturzelt am liebsten an der Seite oder ganz vorn, um  das Gefühl zu haben"sofort flüchten " zu können . Es gibt mir Sicherheit.

Wer all dies verarbeitet und mit anderen geteilt hat, ist sehr gut  in der Lage, als Therapeut zu arbeiten durch diese Eigenarbeit und das Aufarbeiten seines Lebens. Menschen machen dann mitunter dumme Bemerkungen wie " so eine Person kann doch keinen therapieren" oder "man kann die doch nicht auf die Menschheit loslassen, das ist ja unverantwortlich". Aber so ist das nicht.  Das Gegenteil ist der Fall. Bei jeder  meiner Weiterbildungen, ob Familienstellen oder Gesprächsführung wurde gerade diese Eigenarbeit gewünscht und bei der Weiterbildung zur Familientherapie war es sogar ein Muss. Eine Lehrerin, die  sich mit mir gemeinsam im Weiterbildung befand, mußte den Kurs abbrechen und die Weiterbildung verlassen, als nach ein paar Monaten herauskam, daß sie keinerlei eigentherapeutische Erfahrung hatte. Und wer behauptet, im Leben gar keine traumatischen Erlebnisse gehabt zu haben, der lügt. Oder verleugnet es. Selbst bei den wunderbarsten Eltern erleben Kinder Traumata. Es läßt sich nicht verhindern, dadurch, daß wir Menschen nicht vollkommen sind, selbst wenn wir uns noch so bemühen, alles richtig zu machen. Das ist eben der Tanz des Lebens. ...



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