Vatertag

21935. Tag.

Heute ist Vatertag.

Wir waren vorhin erst Eis essen in unserer Lieblingseisdiele Il Gelato und dann im Kino in dem Film "Rocketman", wo es um das Leben von dem Rocksänger Elton John  bzw.  Reginald Kenneth Dwigt geht.

Der Film war sehr interessant, spannend, und hat mich  bei einigen Scenen zum weinen gebracht. Elton John hat freiwillig in einer  Suchtklinik eine mehrwöchige Therapie gemacht und sein Leben, was zu dem Zeitpunkt ein ziemliches Chaos war, wieder in Ordnung gebracht, so daß er wieder songs schreiben konnte und seine Karriere, die durch den Klinikaufenthalt unterbrochen war, wieder vorantreiben. Er ist auch  bis jetzt 28 Jahre später,  clean geblieben, d.h. ohne Alkohol- und Drogenkonsum. Ihm ging es damit wie vielen anderen Künstlern auch, die überfordert werden von einer plötzliche Karriere und den gleichzeitigen Altlasten aus der Kindheit, Jugend und ihrer Familie. Hut ab, dass er es geschafft hat, und heute, mit 70, gibt er nach und nach seine Abschiedskonzerte. Bereits jetzt behaupten einige Kritiker, der Film sei  besser als Bohemian Rhapsodie. Dem kann ich mich nicht anschließen, ich finde beide Filme gleichermaßen sehr gut, eines haben sie gemeinsam, ein ähnliches Strickmuster, nur daß Freddy Mercury nicht mehr lebt, Elton John aber noch sehr munter unter uns weilt. Gott sei Dank. Ich hoffe, er wird 100....

Ich bin seit meinem 11. Lebensjahr und dem Song "crocodile Rock " ein großer Fan von Elton John, besitze alle Schallplatten und fast alle CDs. Wir waren vor circa 20 Jahren hier im Bergpark auf einem Konzert, wo er allein am Klavier saß und all seine songs gewissermassen "unplugged" präsentiert hat. Wir waren sehr beeindruckt.

Der Film hat mich deswegen zu Tränen gerührt, weil ich Parallelen gezogen habe zu meinem Leben und den Problemen, die mich dann mit 34 Jahren einholten und mir so zusetzten, daß auch ich  mich im August 1993 freiwillig in eine Psychosomatische Fachklinik einweisen ließ. Die Krankenkasse bewilligte zunächst sechs Wochen, diese wurden dann auf zehn Wochen ausgeweitet. Eigentlich 12 Wochen, aber die letzten zwei Wochen habe ich mir dann "geschenkt", weil ich der Meinung war, stabil genug zu sein. Es war sehr hart. Gruppentherapie, Einzeltherapie, Sport.

Als ich eingewiesen wurde, ging es mir so schlecht, daß ich dachte, ich würde die nächsten Tage nicht überleben. Ich hatte Sehstörungen,  Angstzustände und habe meine Wohnung nicht mehr verlassen, nur noch in Begleitung meines Mannes. Wenn ich in den Bus stieg, mußte ich nach einer Station aussteigen, weil die Sehstörungen so schlimm waren, daß ich es in dem Bus nicht aushielt. Wenn ich einkaufen ging, mußte ich an der Kasse, weil wieder Sehstörungen kamen, schnell das Geschäft verlassen, ohne zu bezahlen und habe den Einkaufswagen einfach stehen gelassen und bin regelrecht geflüchtet. Man hätte annehmen können, ich wollte stehlen oder habe kein Geld zu  bezahlen. Wieso sonst sollte jemand so etwas tun? Angefangen hatte es anderthalb Jahre vorher, kurz nachdem ich eine Arbeitsstelle in einem größeren  Betrieb als Buchhalterin angetreten habe, kaum, daß ich einige Wochen dort gearbeitet hatte.

Dies war jedoch nur der Auslöser, die Symptomatik war ein sogenanntes multifaktorielles Geschehen, und die Arbeit und die damit verbundenen Probleme nur der Auslöser.

Steter Tropfen höhlt den Stein...

Wenn man als Kind von der Mutter schon früh und ständig als Therapeut und von beiden Eltern als Arbeitskraft mißbraucht wird, hat man nie das Gefühl, den Menschen, die man liebt, um seiner selbst Willen zu genügen. Unser Vater hat ständig gesagt, daß wir da wären, um sie zu unterstützen. Dieses "erlernte" Verhalten führt dazu, daß man sich auch später so verhält, auch an den Arbeitsstellen. Man arbeitet wie ein Hamster im Rad und das Selbstbewußtsein wird nur durch viel Lob erreicht, was man, wie man meint, nur dadurch bekommt, wenn man sich tot arbeitet, stets besser ist als andere und man kommt dann nicht mehr da raus. Irgendwann ist die Kraft verbraucht, ein Mensch ist keine Maschine. Es wird immer weiter gemacht, und weiter.... irgendwann bricht man zusammen, weil sich bedingt durch die Erschöpfung Fehler einschleichen, die aber nicht auf die  Intelligenz oder das Können des Patienten zuzuführen sind. Wenn man das begriffen hat, ist schon ein Zeitpunkt erreicht, wo man zum einen meint, ich bin dumm, ich genüge den Menschen nicht mehr, jetzt kann ich nicht einmal mehr arbeiten, zum anderen aber einsieht, so kann ich nicht weiter machen, sonst gehe ich zugrunde.

Bei mir war es nicht nur die "kaputte" Familie, sondern auch falsche Partnerwahl. Mein erster Freund, den ich mit 17 kennen lernte, hat mir ziemlich zugsetzt.  Am Anfang waren wir sehr verliebt und als wir einige Monate zusammen waren, hat er sich ziemlich merkwürdig verhalten, wir haben uns kaum noch gesehen. Sein Sexualverhalten war seltsam, ziemlich unromantisch, und eher mechanisch. Ich habe meine Freundinnen gefragt, was sie daran gut finden. Ich kannte es ja nicht anders. Gott sei Dank hatte ich mit Pille verhütet, sonst wäre ich womöglich noch von ihm schwanger geworden. Aber das hatte mir meine Mutter schon immer eingeimpft - nimm bloß die Pille, bevor Du mit jemandem etwas anfängst.... Jedenfalls ging es drei Jahre immer so hin und her, ich habe sieben mal mit ihm Schluss gemacht und wir sind wieder zusammen gekommen. Bis dann nach drei Jahren er den Schlussstrich entgültig zog und mir einreden wollte, ich sei schuld, weil ich dick wäre und hässlich usw. In Wirklichkeit hat er sich wohl eher zu  Männern hingezogen gefühlt, wie ich später durch Zufall erfuhr. Ich habe nichts dagegen, später lernte ich einige homosexuelle kennen, mit einigen bin ich heute noch sehr gut befreundet. Aber ich hätte mir Ehrlichkeit gewünscht, er ist den einfachsten Weg gegangen, es auf mich zu schieben. Schuld daran ist natürlich auch unsere Gesellschaft, da konnte man damals so etwas nicht einfach so zugeben und mußte zu einer Notlüge greifen, das zu seiner Entschuldigung. Aber ich blieb eindeutig dabei auf der Strecke.

. Und ehrlich -heute wird es Aussenseitern auch nicht viel leichter gemacht... Es heißt immer Schwulibert, Arschficker etc .... Irgendwie tat er mir leid, aber ich hatte ihn auch geliebt, und es dauerte lange, das zu verarbeiten. Vergessen kann ich es bis heute nicht.

Nach der Trennung hatte ich kurzzeitig eine Liaison mit einem Kollegen der Firma, in der ich meine Ausbildung zur Industriekauffrau absolvierte, und danach habe ich dann meinen ersten Mann kennen gelernt. Ihn hätte ich eigentlich nicht heiraten dürfen. Bereits nach kurzer Zeit bin ich mit ihm zusammen gezogen, und nach einem Jahr haben wir geheiratet. Vier Wochen nach der Hochzeit hat er mich betrogen mit einer Freundin aus dem Kegelclub. Dadurch, daß er in kurzer Zeit 40 KG abgenommen hatte, gut aussah und die Frauen ihm nachsahen, wurde es ihm leicht gemacht. Das erste Mal habe ich ihm verziehen, das nächste Mal hat er mich nach weitern drei Jahren betrogen mit einer Kollegin. Die ganze Zeit hat er mir immer versucht, einzureden, daß ja ich ohne ihn nichts wäre und mich klein gemacht.  Er beschwerte sich über meine Unsportlichkeit, putzte mich herunter, daß ich nicht richtig schwimmen könne und beschwerte sich ständig über meine Figur, obwohl ich damals für meine Verhältnisse schlank war mit Größe 38-40. Das nahm er zum Anlass, sich von mir zu trennen, in Wirklichkeit wohnte er schon lange bei seiner Kollegin und führte somit ein Doppelleben.

Ich war hin und hergerissen zwischen Hass und Liebe, Und Verachtung. Ich war 28 Jahre alt und bildete mir ein, diese Trennung sei eine Katastrophe, da ich jetzt so alt wäre und mich keiner mehr wolle. Da habe ich zum ersten Mal psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Vor allem habe ich in der ersten Zeit, als wir zusammen waren, noch im elterlichen Betrieb gearbeitet und die Launen meines Vaters ertragen müssen und dort auch jeden Tag 10-12 Stunden gearbeitet, oft auch samstags. Später dann im Einzelhandel, dort war es auch nicht besser. Schon damals war ich oft krank, müde abgeschlagen. Noch dazu kam, daß ich früher stark geraucht habe, so wie fast alle, ich hatte mich meinem Exmann angeschlossen, er rauchte am Tag 40 Zigaretten.

Jedoch diese Trennung war das beste, was mir damals hätte passieren können. In der Zeit  und auch schon vorher hat mich mein bester Freund Ralph  immer seelisch unterstützt, das werde ich ihm nie vergessen. Ralph hatte ich durch meine Schwester kennen gelernt, in 1985, er war ihr Schulkamerad. Leider verstarb Ralph im April 1995 an den Folgen von Aids und einer Vergiftung in einem Hospitz. Ich hatte ihn einige Monate zuvor erst wiedergefunden, wir hatten uns aus den Augen verloren und einige Jahre nicht gesehen. Dann meldete er sich bei mir, er wohnte inzwischen in München mit seinem Lebenspartner, der auch Ralf heisst und heute noch lebt.

Und wäre ich nicht solo gewesen,  hätte ich nicht Jens kennen gelernt, und durch ihn Dirk, mit dem ich jetzt 29 Jahre verheiratet bin.

Wären da nur nicht die Schikanen und Schwierigkeiten mit Dirks Eltern gewesen...... und natürlich die  Probleme meiner  Eltern noch dazu.

Kurz nach der  Hochzeit mit Dirk, als ich einige Wochen an meiner neuen Arbeitsstelle arbeitete, kam der erste Zusammenbruch. Ich habe mich immer wieder aufgerappelt, aber mir wurde dann nach anderthalb Jahren gekündigt. Dem ersten Klinikaufenthalt folgte nach vier Jahren ein zweiter. Und dann wurde es nach und nach besser. Aber es hat sehr lange gedauert. Ein langer Weg.

Wenn ich so darüber nachdenke,  erscheint es mir wie ein Wunder und bin ich froh, daß es mir heute so gut geht. Und ich mir jeden Tag aufs neue sage  "das Leben ist ein Fest".....

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